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  • AutorenbildAlexandra Schüller

Per E-Bike zurück in die Vergangenheit.

Authentische Lebensart und Wohnstil sind geprägt von Natur, Landschaft und Geschichte. Ich möchte die Ursprünge Sylts verstehen und radle, mit ordentlich Akku unter dem Hintern, über hügelige Radwege.  






Vorbei an betörend wunderschön violett blühenden Heidelandschaften, Richtung Morsum-Kliff im Osten der Insel. 


Es ist August. Einer der besucherstärksten Monate für Sylt. Bis zu 120 000 Besucher täglich. Vor allem Deutsche. Und ihre Hunde. Dank Corona jetzt mit Rekordzahlen. Wollte niemand nach Mallorca reisen...Und doch fühlt es sich hier, angekommen am Morsum Kliff, so einsam und friedlich an. Ich gehe über Holzbohlen, entlang der Aussichtsplattform und lasse den Blick auf bis zu 10 Millionen Jahre Erdgeschichte und das anliegende Wattenmeer gleiten. Die verschiedenen Erdschichten der Steilküste haben sich durch Verschiebung und Druck der Gletscher tatsächlich nebeneinander aufgerichtet. Schwarzgrauer Glimmerton, gelbbrauner Limonitsandstein und weisser Quarzsand. Da und dort gespickt mit Fossilien. 


Dieses nationale Geotop steht unter Naturschutz, das nordfriesische Wattenmeer ist Weltkulturerbe. Einzig das Gehen entlang ausgeschilderter Wege und Bestaunen ist erlaubt. Mehr braucht man aber auch nicht um gerade glücklich zu sein.







Unseren prähistorischen Vorfahren muss es hier auch gefallen haben. Bereits um 3000 v. Chr. errichteten einige kräftige, sogenannte “Hünen” die letzten Ruhestätten ihres Stammes. Über 530 Grabhügel und fast 50 Megalithgräber sind auf Sylt bekannt. Teilweise kann man diese auch unterirdisch betreten.



Ein Hünengrab nahe Kampen und der schön bewachsene Grabhügel "Tipkenhoog" bei Keitum mit Blick aufs Watt.



Durchaus stilprägend und greifbar in Sachen lokale Wohnkultur ist die Zeit, in der die Insulaner vorwiegend vom Walfang und nicht vom Tourismus gelebt haben. Der idyllische und einst bedeutendste Ort der Insel, das Kapitänsdorf Keitum, erzählt von Zeiten vergangener Tage des 17. bis 19. Jahrhunderts. Überraschend real ist der Besuch des “Altfriesischen Hauses” in Keitum. Viel mehr ein realer Besuch bei einer Kapitäns Familie als ein Museeum gesammelter, originaler Objekte der genannten Zeit. Beinahe fühle ich mich wie ein Eindringling, der gerade die Gunst der Gelegenheit nutzt, während die Bewohner draußen Ihre Schafe zusammentreiben. 


Über den mit Sandsteinplatten ausgelegten Flur gelange ich zu den reichlich dekorierten Gemächern. Die Entdeckungen und Handelswege der Seefahrer ermöglichten stilistische Einflüsse und Einkäufe aus Holland, England oder Russland. Holländische “Delfter”- Keramikfliesen dienten der langlebigen, dekorativen Wandverkleidung, und schützten vor Feuchtigkeit. Bemalte Holzpaneele und in Wände eingebaute Schlafkojen oder Schränke, nutzen die Wohnflächen je nach Anlass perfekt aus. Die Grösse der Schlafkojen lassen auf kleine Bewohner schliessen. Doch der Schein trügt, denn laut Überlieferung war es die damals übliche, halbsitzende Schlafposition der Bewohner, welche diese Dimension möglich machte. Irgendwie kaum nachvollziehbar...die Melodie von “Sound of Shire” von “Lord of the Rings” erklingt in meinem inneren Ohr. 


An dieser Stelle, liebe Leser, empfehle ich Euch wärmstens den untenstehenden Link anzuklicken und folgendes im Hintergrund laufen zu lassen, während Ihr hoffentlich bis zu Ende liest.



Einflüsse von Barock- und Renaissance lesen sich aus dem Pfostenschrank mit reich bestückten Schnitzereien. Beleuchtet wurde ausschließlich mit Kerzen oder Tranlampen. Spinnrad und Webstuhl dienten zur Verarbeitung der Schafwolle und so wurde in den Wintermonaten fleißig Wollwäsche gestrickt. Vielleicht ein Vorreiter der begehrten, unglaublich teuren Kaschmirpullis..? Wie auch immer. Ist es doch das ehrliche, traditionell langlebige Handwerk, das die einzelnen Highlights an Einrichtungsgegenständen so sehr inspiriert.





Gerade als ich der Versuchung nachgeben möchte, mir aus der reich bestückten Vorratskammer einen Laib Käse zu greifen, höre ich Schritte in den hinteren Gängen...und verlasse fluchtartig das Haus.



Die Hobbit-Melodie summend, radle ich über kleine Sträßchen, vorbei an hohem Gras, gespickt mit wilden Wiesenblümchen. Und in der Ferne lugen die reetgedeckten Häuschen aus den reich begrünten Vorgärten hervor.





Ich befinde mich noch in Keitum und mit der Lust auf...ja, Käse...trete ich ein in das “Friesische Käselädchen”. 

Klein, aber mit grosser Auswahl! 

Nach einem selbst zusammengestellten Degustationsteller, den ich draussen mit Blick aufs Land geniesse, decke ich mich mit weiteren köstlichen, hausgemachten Käsevorräten ein.





Einen Steinwurf entfernt lauert die größte aller Verführungen: Wer wie ich designaffin und teebegeistert ist, der wird magisch vom Teekontor Keitum angezogen. Man kann hier im hauseigenen Teeraum gediegen erlesenen Tee mit hausgemachtem Gebäck genießen. Den Lieblingstee aus 200 angebotenen Sorten kaufen und in eleganten Gästezimmern urlauben. Doch als sei das nicht schon genug, lockt das wunderschöne, handverlesene Angebot an Accessoires, Antiquitäten und Möbelstücken in stilvoller Aufstellung.

Exotische Kostbarkeiten aus aller Welt und auch bekanntere Hersteller für Haus und Hof finden sich in der mit Bedacht gestalteten Boutique Atmosphäre. Ich erstehe vier besondere Kisten: Unikate, hergestellt in Decoupage Technik auf Holz. Sie zeigen Motivausschnitte alter Gemälde von Da Vinci und Batista Moroni. Individuell handbemalt mit vierfacher Lackschicht versehen.





Während meine Errungenschaften für die Reise per Post in die Schweiz verpackt werden, verlasse ich seelig das edle Haus und schwinge mich auf mein Rad der untergehenden Sonne entgegen.


Inspiriert von diesem Ausflug zwischen Morsum und Keitum, schließe ich für heute mit einem kleinen konzeptionellen Vorgeschmack. Altes und Neues für Ausbau und Dekoration. Für alle, die gerne den Bogen zwischen Ursprünglichkeit und zeitgenössischem Stil spannen wollen. 


Für unsere (Sylter-) Bauherren. Für Hobbits.





Mit herzlichem Dank an:


KJA S Mechanicus









 



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